Inklusion in Südtirol: Gute Gesetze – große Herausforderungen

Do. 25.09.2025

Die guten gesetzlichen Grundlagen reichen nicht aus: Menschen mit Behinderungen stoßen in Südtirol weiterhin auf strukturelle Barrieren, fehlende Unterstützung und mangelnde Teilhabe.
Am 24. September fand im Südtiroler Landtag eine Anhörung zur Situation von Menschen mit Behinderungen statt. Der Dachverband für Soziales & Gesundheit präsentierte dort, in enger Abstimmung mit seinen Mitgliedsorganisationen, ein Positionspapier, das zentrale Anliegen und Probleme zusammenfasst. Grundsätzlich wird die geltende Landesgesetzgebung zwar als gut bewertet, aber es gibt in vielen Bereichen Schwachstellen. Die Herausforderungen reichen von fehlendem Fachpersonal über mangelnde Barrierefreiheit bis hin zu unzureichender Arbeitsinklusion.
Dachverband-Präsident Wolfgang Obwexer betonte:
- Inklusion ist kein exklusives Thema des Sozialbereichs. Es ist Aufgabe der gesamten Gesellschaft.
- Für die Umsetzung gesetzlicher Maßnahmen braucht es die entsprechenden finanziellen Mittel.
- Es fehlen Fachkräfte. Soziale Berufe müssen attraktiver werden, durch bessere Bezahlung und mehr Wertschätzung. Die Mitarbeiter/innen des Dritten Sektors verdienen eine bessere Bezahlung.
- Das Pflegegeld und die Leistung „Teilhabe und Selbstbestimmtes Leben“ brauchen eine grundlegende Reform.
- Im Bereich Arbeit braucht es mehr Sensibilisierung der Betriebe, etwa durch Modellprojekte oder einen Ausbau und die Weiterentwicklung des Konzepts „Integra“, das auf echte kontinuierliche Beschäftigung mit fairer Entlohnung statt Taschengeld setzt.
- Gemeinnützige Organisationen sind flexibel und verfügen über wertvolles Wissen, das stärker genutzt werden muss.
- Es braucht eine unbedingte und schnelle Abkehr vom Vergabesystem durch Ausschreibungen zugunsten langfristiger Kontinuität.
Inklusion ist eine Querschnittsaufgabe. Es braucht Sensibilität, aktives Zuhören und vor allem den politischen Willen sowie die finanziellen Mittel zur Umsetzung, denn ein zentrales Problem bleibt die unzureichende Finanzierung gesetzlicher Maßnahmen. Besonders der Fachkräftemangel führt zu Versorgungslücken, die oft von Angehörigen aufgefangen werden müssen. Die Last liegt auf den Schultern von Eltern und nahen Verwandten, meist unbezahlt und ohne ausreichende Unterstützung. Der Dachverband für Soziales & Gesundheit fordert Mut zu Reformen, eine bessere Finanzierung und die aktive Einbindung der Zivilgesellschaft. Dann kann echte Teilhabe für alle Menschen in Südtirol verwirklicht werden.

Drei Fragen an Präsident Wolfgang Obwexer.
Wie steht es um die Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderung in Südtirol?
Obwexer: Es gibt immer wieder schöne Beispiele von gelungener und gelebter Inklusion, also wo Menschen mit Behinderungen wirklich selbstverständlich als normaler Teil der Gesellschaft teilhaben und teilnehmen. Andererseits gibt es aber leider auch genügend Beispiele, wo es eben nicht so gut läuft.
Wo hakt es am meisten?
Obwexer: Es gibt definitiv in allen Bereichen Dinge zu verbessern, egal ob in der Arbeitswelt, in der Schule, bei der Mobilität und Barrieren, aber auch bei Wohnen, Gesundheit, Freizeit und Sport. Vor allem braucht es eine solide finanzielle Ausstattung. Damit steht und fällt alles. Ohne die entsprechenden Finanzmittel bleiben am Ende nur gute Absichtserklärungen übrig.
Was ist aus der Sicht des Dachverbandes nun wichtig. Wie soll es weitergehen?
Obwexer: Wir brauchen den Blick aufs Ganze und mehr systemisches Denken. Gemeinnützige Organisationen haben viel Wissen und können die Erfahrung der Betroffenen einbringen. Zu oft gehen Politik und Behörden von einer „eh guten“ Ausgangslage aus. Betroffene erleben hingegen ihren Alltag oft völlig anders. Es ist schön, wenn das komplexe Thema „Behinderung“ im Hohen Haus Aufmerksamkeit erhalten hat. Wir haben unsere Anliegen vorgebracht und deponiert. Es gibt viel zu tun.

Quelle: Dachverband für Soziales & Gesundheit

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